Antisemitismus ist zentraler, allgegenwärtiger Bestandteil der Ideologie und Agenda der AfD. Aber er wird von Gegnern dieser Partei, die zu Recht deren Rassismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit anprangern, gar nicht oder allenfalls am Rande thematisiert. Nur in wenigen Arbeiten, die die Geschichte und Politik der AfD analysieren, wird er bisher angemessen behandelt. Stefan Dietl schließt hier mit seinem neuen Buch „Antisemitismus und die AfD“ eine Lücke.

Er untersucht die verschiedenen Erscheinungsformen des Antisemitismus in der Partei, denen er jeweils eigene Kapitel widmet.
Die Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen und Schlussstrichforderungen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Denn ein vom „Schuldkult“ befreites Deutschland soll endlich seine Führungsrolle in der Welt zurückgewinnen. Vertreter jüdischer Organisationen, die dem widersprechen, werden als Feinde markiert.
Kennzeichnend sind ebenso als Weltdeutungsmuster dienende Verschwörungserzählungen in modernisierter Form: „Globalistische Eliten“ gelten als Drahtzieher der Weltpolitik. Als wichtiger Katalysator solcher Konspirationsmythen zeigte sich die Corona-Pandemie, die zum gezielten Manöver zwecks Versklavung der Menschen umgedeutet wurde. Im völkischen Antikapitalismus des Höcke-Flügels werden alle Übel des Kapitalismus in den Vertretern eines jüdisch konnotierten „raffenden“ Finanzkapitals personifiziert und dem guten, fleißigen, „schaffenden“ deutschen Kapital gegenübergestellt.
Der marktradikale AfD-Flügel zielt sozialdarwinistisch auf Überausbeutung arbeitender Menschen, die mit einem autoritäten Staat abgesichert werden soll. Versagt in Krisen die „unsichtbare Hand des Marktes“, müssen dafür externe Schuldige gefunden werden, wobei sich der Kreis zu Verschwörungserzählungen schließt.
Teile der AfD sind von christlich-fundamentalistischem Antisemitismus geprägt. Die in evangelikalen Kreisen oft zur Schau getragene Israelfreundschaft ist eine vergiftete Frucht, postuliert sie doch die Rückkehr des christlichen Messias ins Heilige Land, sobald dort alle Juden der Welt sich versammelt haben und sich bei Strafe des Untergangs diesem unterwerfen müssen.
Entgegen dem von der Partei offiziell gepflegten israelsolidarischen Image sind Teile der Partei offen antiisraelisch, während die „Israelfreunde“ ein instrumentelles Verhältnis zum jüdischen Staat haben, den sie glauben für ihren Kampf gegen die verhassten Muslime benutzen zu können. Gleichzeitig gibt es in der Bundestagsfraktion zahlreiche Lobbyisten des auf die Vernichtung Israels zielenden iranischen Regimes. Genau so wenig, wie die AfD islamkritisch ist, ist sie israelfreundlich.


Klaus Blees
DIG AG Trier

Diese Rezension erschien in DIG MAGAZIN Ausgabe 1 2025 / 5785. Das gesamte Heft kann als PDF hier heruntergeladen werden: https://t1p.de/4dktj

Stefan Dietl:
>>Antisemitismus und die AfD<<,
Verbrecher Verlag 2025,
ISBN: 9783957326164,
EUR 16,00